Foto und Text: Merle Hilbk (MOZ) veröffentlicht am 11.7.2020 in der Märkischen Oder-Zeitung auf S. 14
Es ist vielleicht eines der schönsten Bootshäuser in der an Bootshäusern nicht gerade armen Oder-Spree-Region. Und wenn nicht das Schönste, dann auf jeden Fall das Augenfälligste. Denn das Vereinshaus des "Ruderclub Beeskow 1920 e.V." sieht aus wie eine Schmuckschatulle aus einer Bauhaus-Werkstatt: elipsenförmig, mit klaren, schlichten Proportionen und Farben – weiß und blau, wie der Himmel an diesem Sommernachmittag über der Spree.
Das 2007 grundsanierte Gebäude unterhalb der Spreebrücke, das mit seinen Fassadenrundungen und den umlaufenden Sprossenfenstern an die vom Bauhausarchitekten Karl Fieger geschaffene Ausflugsgaststätte "Kornhaus" in Dessau erinnert, ist nicht nur das älteste erhaltene Eternit-Haus in Deutschland, sondern wohl auch einer der wenigen Bauhaus-Klassiker, die nicht von einem Architekten entworfen wurden. Das Bootshaus (und die Idee der Holzständer-Bauweise mit den offen vernieteten Faserzementplatten) stammt vom Beeskower Maurer- und Zimmermeister Max Tödter, der, wie es im "Täglichen Kreisblatt" hieß, zusammen "mit Herrn Malermeister Leetz ein Werk geschaffen hat, auf das er mit Recht stolz sein kann."
Wie die Handwerker zu diesem Bauhaus-Entwurf kamen, ist nicht bekannt. Die Firma Tödter gibt es nicht mehr. Im Stadtarchiv lagern zwar viele Baupläne und der Schriftwechsel im Namen des "Vereinsvorsitzenden Mittelschullehrer Erich Seiler" mit den Ämtern. Über den kühnen Entwurf heißt es dort nur, dass ihm auch die "Verordnung zum Schutz der Stadt gegen Verunstaltungen" nicht entgegenstehe. Selbst in dem ganz der Geschichte des Rudersports gewidmeten "Beeskower Heimatheft 15/16" gibt es nur ein Zitat über die Atmosphäre der Innenräume, die "trotz ihrer Einfachheit anheimelnd und vornehm sind."
Auf den Schwarz-Weiß-Bildern darin ist ein Saal mit Holz-Kastendecke und großzügig im Raum verteilten, schlichten Holztischen und Stühlen zu sehen. Nichts lenkt ab von der Wasserlandschaft, die von den umlaufenden, in sechs Quadrate aufgeteilten Fenstern wie ein Gemälde eingerahmt wird.
Dass das Bootshaus 1933 gebaut wurde, hat direkt nichts mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten zu tun – sondern mit dem Umstand, dass das Verein viele neue zahlungskräftige Mitglieder hatte. Nicht nur, weil die strengen Standesregeln für die Vereinsmitgliedschaft aufgehoben worden waren ("Angehörige der besseren Stände, die einem nicht handwerksmäßigen Berufe angehören"). Sondern weil nun auch Frauen mitrudern durften. Dennoch spielte die Politik in den Sport hinein: Nur Arier durften Mitglied sein, und aus den nazistischen Jugendverbänden wurden Jugendliche zum Rudern verpflichtet – als Wettkampfsport.
Gegründet wurde der Ruderclub bereits 1920, hatte aber in den ersten Jahren noch nicht die Mittel für Grundstück und Gebäude. Die schweren Holzboote lagerten in einem Schuppen der Stärkefabrik an der Lübbener Chaussee. Nach einer Spendenaktion unter den Mitgliedern wurde 1922 ein Bootsschuppen an der Gartenstraße 2 gebaut. Doch auch der reichte bald für die wachsende Bootsflotte nicht mehr aus.
Vom neuen Bauhaus-Domizil hatten die Mitglieder nicht viel. Die meisten Ruderer wurden an die Front geschickt, das Bootshaus wurde im April 1945 zerstört. In der DDR wurde der Verein dem von Polizei und Stasi getragenen SV Dynamo eingegliedert. Von da an gab es nur noch Wettkampfsport an der Uferstraße, Beeskow wurde zum Ruder-Leistungszentrum.
Nach der Wende wäre diese Eingliederung beinahe zum Aus für das Bootshaus geworden, das von der Treuhand als Sondervermögen eingezogen wurde. Zum Glück war das neu gewählte Vorstandsmitglied Eberhard Keil mit der Treuhand vertraut: Als Kaufmännischer Leiter des Spanplattenwerkes musste er über dessen Weiterbetrieb verhandeln. Dabei habe sich dann "die Gelegenheit geboten, auch über die Zukunft des Bootshauses zu sprechen."Das wurde schließlich der Stadtverwaltung übergeben – mit der Auflage, es dem Ruderclub zur Verfügung zu stellen.
Mit 86 rudert Eberhard Keil immer noch; den Vereinsvorsitz hat er an seine Tochter abgegeben. Die Wanderruderer sind wieder die stärkste Gruppe im Verein und haben halb Europa mit dem Boot bereist. Am Bootshaus wurden die alten Eternitplatten 2009 durch neue, asbestfreie ersetzt. Aber der Schriftzug "Ruderclub Beeskow 1920 E.V." prangt immer noch serifenlos-schlicht an der Fassade.
Eigentlich hatte der Verein dort zum großen Gründungsjubiläum ein Fest geplant. Aber dann kam Corona. "In unserer Vereinsgeschichte war es meistens so, dass von außen etwas auf uns zukam, wenn alles lief," sagt Eberhard Keil. "Aber Ruderer sind ausdauernd. Gemeinsam haben wir alles geschultert. Und jetzt werden wir 100!"
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